Die russischsprachige Ausgaber der Deutschen Welle hat über YouTubes Misinformation Policies berichtet. In einem Interview mit Hans-Christian Gräfe ging es darum, ob YouTube überhaupt Kanäle sperren dürfe.
YouTube hat seine Nutzungsrichtlinien erweitert und eine Richtlinie zu Fehlinformationen über Impfungen aufgenommen. Danach können Kanäle und Videos gesperrt oder gelöscht werden, die “ein ernsthaftes Risiko einer erheblichen Gefährdung darstellen, indem sie medizinische Fehlinformationen über aktuell verabreichte Impfstoffe verbreiten, die von lokalen Gesundheitsbehörden und der Weltgesundheitsorganisation (WHO) als sicher und wirksam eingestuft werden.” Dabei gibt es Ausnahmen für z.B. Erfahrungsberichte mit Impfungen – das Entscheidende ist dann der Kontext, den das Video mitliefern muss. Im Grunde ist die Unternehmensentscheidung nur konsequent. Der Diensteanbieter hält eine Art Hausordnung bereit, zu der auch Misinformation Policies gehören, die Fehlinformationen zu gewissen Themen untersagen. Die Maßnahmen stehen dabei im größeren Zusammenhang mit dem europäischen Code of Practise on Disinformation. Dabei handelt es sich um eine Selbstverpflichtung in Form eines Vertrages, den die EU-Kommission mit mehreren großen Tech-Unternehmen abgeschlossen hat, u.a. Google, der Konzernmutter YouTubes.
Dabei stellt sich die Frage, ob das Löschen die richtige Lösung ist oder veränderte Algorithmen und Hinweise auf die falsche Informationen und Links zu den richtigen und sachlichen Quellen besser sind?
Hinweise der Diensteanbier existieren bereits. Sofern beispielsweise das Stichwort Corona in einem Beitrag auftaucht, erfolgt eine kommentierte Verlinkung auf die Webseite des Bundesgesundheitsministeriums. Im Gegensatz zu privaten Äußerungen bewegt sich die Regierung in ihrem Informationshandeln in einem festgelegten Korridor: Wenn die gesamtgesellschaftliche Verantwortung das Informieren der Bevölkerung verlangt, handelt es sich dabei um eine staatliche Aufgabe. Es muss allerdings die Zuständigkeitsordnung eingehalten werden und die Information muss richtig sowie sachlich sein. Fraglich aus Nutzersicht ist, ob diese Hinweise zur Vermeidung von Desinformation überhaupt etwas bringen. Oder falls nicht, ob der Intermediär gezwungen werden kann, die Ausspielung zu ändern.
Wo ist also die Grenze zwischen Meinungsfreiheit und Desinformation im Internet – und wer bestimmt sie?
Die Meinungsfreiheit ist ein überragend wichtiges Schutzgut, aber gilt nicht schrankenlos. Als nichtstaatliches Unternehmen darf YouTube sich eigene Nutzungsregeln geben, die erst einmal nicht direkt an den Grundrechten gemessen werden. Zum Teil muss der Diensteanbieter eines öffentlichen Forums sogar gewisse Verhaltensregeln setzen und kontrollieren – Stichworte Störerhaftung und Netzwerkdurchsetzungsgesetz (NetzDG). Die eigenen Nutzungsregeln sind allerdings vor Gericht kontrollierbar. Und zwar einerseits ob die Regeln an sich zu weitgehend sind und andererseits ob sich der Anbieter an seine eigenen Regeln hält.